Archiv Senioren & Pflege

Offener Brief - Altenhilfe in Bamberg: Bamberg braucht eine konsequente und zeitnahe Umsetzung der auf dem Tisch liegenden Vorschläge

Einen langen Aufgabenkatalog haben Verantwortliche der Altenhilfe in Stadt und Landkreis Bamberg dem Sozialdezernenten und Zweitem Bürgermeister Jonas Glüsenkamp übergeben. Am 3.5.2022 berichtete der Fränkische Tag. Der Offene Brief - unterzeichnet von Matthias Kirsch (AWO KV Bamberg Stadt und Land e. V.), Michael Springs (Bamberger Akademien für Gesundheits- und Pflegeberufe), Oliver Nelkel (Bayerisches Rotes Kreuz KV Bamberg), Friederike Müller (Caritas gGmbH St. Heinrich und Kunigunde), Volker Göbel (Caritasverband f. d. Landkreis Bamberg e.V.), Peter Ehmann (Caritasverband für die Stadt Bamberg e.V.), Dr. Norbert Kern (Diakonisches Werk Bamberg-Forchheim), Jutta Weigand (Sozialstiftung Bamberg Altenhilfe gGmbH), Sabine König (visit Gruppe), Anton Zahneisen (Fördervereins Seniorenhilfe, Vorsitzender des VdK Bamberg-Süd), Wolfgang Budde (Arbeitsgemeinschaft d. ält. Bürger Bambergs, stellv. Vorsitzender des Senior*innen-Beirats) - ist hier nachzulesen:

Altenhilfe in Bamberg:

Bamberg braucht eine konsequente und zeitnahe Umsetzung der auf dem Tisch liegenden Vorschläge
Offener Brief


Situation in der Pflege: Heute stehen wir vor dem Abgrund, morgen…

Einrichtungen der Altenhilfe können teilweise die fachlichen Erfordernisse und personellen Vorgaben kaum noch erfüllen, weil Pflege(fach)kräfte fehlen. Pflegebetten bleiben bisweilen leer.

Besonders in den Ferienzeiten werden bereits jetzt mehr Kurzzeitpflegeplätze nachgefragt, als tatsächlich zur Verfügung stehen. Grund hierfür sind u. a. der bestehende Personalmangel, die nicht planbare Auslastung der Kurzzeitpflegeplätze über das Jahr hinweg und die damit nicht gesicherte Finanzierung im Falle des Leerstands bspw. außerhalb der Ferien- und Urlaubszeiten.
Das und vieles mehr führt dazu, dass singuläre Kurzzeitpflegeplätze (bisher) kaum oder nicht angeboten werden.

Mitarbeiter*innen in der Pflege planen ihre Arbeitszeiten zu verringern oder verlassen das Arbeitsfeld. Obwohl sich Auszubildende positiv über den Einsatz in Pflegeheimen, teilstationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten äußern, führen die ungünstigen Rahmenbedingungen wie Zeitdruck, Personalengpässe und familienunfreundliche Arbeitszeiten mitunter dazu, dass sich Auszubildende und auch junge Mitarbeitende dann doch in ein anderes Berufsfeld orientieren. Und das, obwohl auch immer wieder junge und ältere Menschen aus einem anderen Berufsfeld in die Pflege wechseln und damit deutlich machen, dass diese sinnstiftende Tätigkeit auch eine anziehende Wirkung hat. All das ist jedem der Verantwortlichen in Politik und Pflege bekannt.

Alles wurde schon gesagt, aber noch nicht von jedem?

Vor allem wird abgewartet, ob andere die Initiative ergreifen: Der Freistaat Bayern, die Bundesregierung, die Krankenkassen. Kommunal werden Expertinnen und Experten eingeladen und angehört, Konzepte erarbeitet, Projekte auf Zeit geplant, finanziert und ausgewertet. Alle Verantwortlichen in Politik und Pflege wissen: Das reicht nicht!

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Entscheidungen sind gefragt

…und, dass Oberbürgermeister, Bürgermeister und ihre Dezernenten, Stadträtinnen und Stadträte, Verantwortliche in den Sozialorganisationen und Krankenkassen, die Verantwortung übernehmen und ihren Beitrag da leisten, wo sie zuständig und verantwortlich sind.

Es ist an der Zeit, auch außerhalb etwaiger gesetzlichen Verpflichtungen und eigeninitiativ, die Verantwortung für die Weiterentwicklung, vor allem einer guten Versorgung der hilfebedürftigen Bürger*innen in der Stadt und dem Landkreis Bamberg zu übernehmen und tätig zu werden.

Bamberg braucht

•    Kranken- und Pflegekassen, als Partner in der Entwicklung kreativer Modelle in der vorstationären Pflege, sodass präventive Hausbesuche, beratende Begleitung pflegender Angehöriger und eine Ausdifferenzierung der Kurzeitpflege in ambulant gestützte Formen, nicht mehr am Finanzierungsproblem scheitern,
•    differenziertere Versorgungsformen im stationären Bereich wie geronto-psychiatrische Bereiche mit einem der Aufgabe angemessenen Personalschlüssel, der auch adäquat refinanziert wird, sowie Angebote für junge Erwachsene mit Pflegebedarf.
•    neben dem Ausbau Bambergs als Standort der Akademisierung der Pflege und über den vorhandenen Studiengang an der Bamberger Akademie hinausgehend,
attraktive und finanzierbare Weiter- und Fortbildungsangebote für die Pflege(fach)kräfte, so dass sich diese immer auf dem neuesten Stand der pflegerischen und/oder medizinischen Entwicklung befinden. Gerade auch die Pflegekräfte ohne Examen müssen gefördert werden. So fühlen diese sich wertgeschätzt und können die Fachkräfte wirkungsvoll entlasten und die Qualität der Pflege fördern. Der Fachkraftmangel kann hierdurch zumindest abgemildert werden. Hierbei könnte Bamberg mit speziellen Angeboten gerade für diese Pflegekräfte eine Vorreiterrolle einnehmen. Hierfür braucht es eine gute Vernetzung und eine Koordination über alle Schulen und Bildungsanbieter hinweg in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern vor Ort.

•    Das könnte ein Aushängeschild für die Bildungsregion Bamberger Land werden!

Ergo:
Bamberg sollte zu einem attraktiven Standort für Pflege weiterentwickelt werden. Pflege braucht nicht nur für die schon heute tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktive Rahmenbedingungen im Alltag der Pflege, sondern auch in Zukunft attraktive Arbeitsstellen für hochqualifiziertes Personal.

Bamberg braucht eine entschlossene Kommunalpolitik,
•    die die Chancen von Smart City Bamberg nutzt, um die Digitalisierung der Pflege voranzutreiben, damit belegt werden kann, dass durch den Einsatz smarter Techniken familiäre Ressourcen gestärkt und professionelle Kapazitäten deutlich entlastet werden können,
•    die in der Region für Pflege(fach)kräfte und Auszubildende in der Pflege endlich bezahlbarer Wohnraum anbietet,
•    die in Bamberg gut geführte Quartierseinrichtungen finanziert und so einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt und zur partizipativen Stadtentwicklung leistet,
•    die sicherstellt, dass insb. die Anbieter von Pflegeleistungen in den Verwaltungseinheiten der Stadt und des Landkreises Bamberg Ansprechpartner vorfinden, die durch ihre praktische Erfahrung und Ausbildung in der Lage sind, mit den Experten*innen in den Einrichtungen und Diensten auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das vor allem dann, wenn es um die Weiterentwicklung von Konzepten für die Qualitätssicherung geht.
•    die die Träger von stationären Pflegeeinrichtungen bspw. bei der Umwandlung von wegfallenden vollstationären Pflegeplätzen in Kurzzeitpflegeplätze insb. politisch bei den Kostenträgern unterstützt und darauf hinwirkt, dass etwaige Leerstände aufgrund saisonaler Schwankungen refinanziert werden.
Nur die Politik kann hier auf die verhandelnden Kostenträger entsprechend einwirken.
•    die alternativ prüft, ob sie eine solitäre kommunale Kurzzeitpflegeeinrichtung errichtet und ggf. betreibt.
•    die insb. hilfebedürftige Bürger*innen außerhalb der Sozialhilfe auf freiwilliger Basis wirkungsvoll von der finanziellen Belastung durch die selbst zu tragenden Investitionskosten befreit oder zumindest entlastet.

Das, was zu bewältigen ist, ist eine Querschnittaufgabe, also vielfältig und anspruchsvoll: Gute Arbeitsbedingungen und Karrierechancen in der Pflege, bezahlbarer Wohnraum, tragfähige Unterstützungsnetzwerke in den Stadtteilen, barrierefreie und bezahlbare Wohnungen in einem barrierearmen Wohnumfeld, damit älterer Bürger*innen in ihrem vertrauten Umfeld gut leben können und vieles mehr…

Entscheidungsträger und -trägerinnen sind gefragt, die nicht auf andere Zuständigkeiten verweisen, sondern mit uns an der konsequenten und zeitnahen Umsetzung der auf dem Tisch liegenden Vorschläge arbeiten.

Den Diskussionen, die wir seit Jahren führen, den Vorschlägen, die wir seit Jahren machen, müssen Taten folgen!